Aurelius Augustinus

Die Welt ist ein Buch. Wer nicht reist, sieht nur eine Seite davon.
~Aurelius Augustinus~

Montag, 8. Mai 2017

Living la Vida Nica

Das war ich nun also nach 16 Stunden Fahrt endlich in León angekommen und konnte mein Bett beziehen. Leider ging es mir alles andere als gut. Das leichte Kratzen im Hals, dass sich schon während der Reise bemerkbar gemacht hat, wurde immer schlimmer. Nichtsdestotrotz entschied ich mich für den nächsten Tag eine Tour zu buchen. Die Gegend um León ist für die vielen Vulkane bekannt. Einer davon ist der Cerro Negro, der jüngste und aktivste Vulkan in Nicaragua. Er ist erst 1850 entstanden und seither über 20-mal ausgebrochen, das letzte Mal in 1999. Hier hat man die einmalige Gelegenheit auf einem Holzbrett über den Vulkanschotter den Hang hinabzufahren. Das Ganze nennt sich Volcano Boarding und ist die beliebteste Aktivität in der Gegend.


Volcano Boarding ist nichts für Pussies


Nun ja, trotz Halsweh meldete ich mich zusammen mit den Britischen Pärchen für den Ausflug an. Am Vormittag wurden wir am Hostel abgeholt und zuerst ins Büro des Veranstalters gebracht. Hier durften wir erst einmal zahlen und bekamen noch ein Tshirt als Erinnerung. Danach ging es wieder in den Jeep und wir fuhren zum National Park, wo sich der Cerro Negro befindet. Am Fusse des 728 Meter hohen Vulkans erhielten wir unser Equipment. Dazu gehörte das Brett aus Sperrholz mit einer dünnen Schicht Metall am Boden und ein Rucksack mit Overall, Handschuhen und Schutzbrille. 

Nach den obligatorischen Gruppenfotos begann der 45-minütige Aufstieg über Felsbrocken zum Kraterrand hinauf. Dies war alles andere als leicht mit dem Brett auf dem Rücken. Zwischendrin kam ein Wind auf, gegen den man sich ganz schön stemmen musste. Ausserdem musste man aufpassen, dass der Vordermann einem nicht sein Brett über den Kopf zieht. Immer schön Abstand halten. Oben angekommen bot sich uns eine tolle Aussicht. Auch hier machten wir ein paar tolle Gruppenfotos, bevor wir unsere Overalls überzogen und uns bereit machten zur Abfahrt.





Schlitteln auf schwarzem Sand


Ok, ich hatte also den Overall an, Handschuhe und Schutzbrille montiert und mir ein Tshirt als Mundschutz umgebunden. Ich sass parat auf meinem Brett. Es hat etwas von Schlittenfahren, nur dass das Brett flach ist. Man sitzt hinten, hat die Füsse vorne neben dem Brett in Vulkansand und hält sich am Seil fest. Zum Bremsen muss man sich aufsetzen und die Füsse in den Sand drücken, um schneller zu fahren löst man die Füsse etwas und lehnt sich zurück. Aber niemals die Füsse anheben oder gar auf das Brett stellen. Dann verliert man nämlich die Balance und kann stürzen. Schürfwunden und Knochenbrüche gibt es des Öfteren, insbesondere bei Personen, denen es nicht schnell genug gehen kann. 

Es sollte also los gehen. Wir sassen alle brav in einer Reihe auf unseren Brettern und warteten auf das Kommando unserer Guides. Ich war eine der Ersten und machte mich bereit. Es ging los! Naja, zu Beginn nicht ganz so rasend wie erwartet, denn die ersten paar Meter sind eher flacher. Danach folgt irgendwann die steile Abfahrt. Ich werde immer schneller, sehe die Landschaft immer zügiger an mir vorbeiziehen, Sand und Steine fliegen nur so an mir vorbei. Mittendrin fahre ich an unserem Guide vorbei, der Fotos von allen macht. Ich grinse breit, bis mir einfällt, dass ich sowieso einen Mundschutz trage. Es war einfach ein einmaliges Gefühl, auf einem Holzbrett einen aktiven Vulkan hinunter zu schlittern. Sicher unten angekommen, stelle ich dann noch fest, dass weder Mundschutz noch Schutzbrille etwas gebracht haben. Mein Gesicht, Haare und Mund sind voller Vulkansand. 



Leider hat der Ausflug mir schlussendlich nicht ganz so gut getan. Mein Hals tat immer noch weh und es wurde nicht besser. Ich marschierte in den Supermarkt und besorgte mir ein paar Halstabletten und anderes gegen Halsweh. Dies hat dann irgendwann auch geholfen und mir ging es besser. Viel habe ich in diesen paar Tagen nicht untennommen. Ich bin etwas durch León spaziert und habe mir einige Sehenswürdigkeiten angschaut. Immer nur für kurze Zeit. 


Die grösste Kathedrale in Zentralamerika


Eine der Sehenswürdigkeiten, die mich besonders beeindruckt hat, war die Kathedrale von León. Das Dach ist begehbar und man geniesst von oben eine tolle Aussicht über die Stadt und die Vulkane in der Umgebung. Um Zutritt zum Dach zu erlangen, musste ich erst zur Rückseite gehen. Dort gibt es einen schmalen Tunnel, an derem Ende eine ältere Dame hinter Gittern Tickets verkauft. Mit diesem Ticket ging ich dann zum Seiteneingang des linken Turms, wo sich eine enge Wendeltreppe nach oben befindet. Oben angekommen, musste ich erst einmal meine Schuhe ausziehen. Das Dach ist nämlich komplett weiss und sie wollen verhindern, dass die Besucher es verschmutzen. 

Barfuss spazierte ich also über das weisse Dach der grössten Kathedrale in Zentralamerika. Wie cool war das denn? Sehr cool! Aber auch etwas heiss an den Füssen, denn die Sonne knallt. Es ist definitiv empfehlenwert dort hochzugehen. Die Aussicht ist super. Ausserdem fühlte ich mich etwas an ein griechisches Dorf erinnert. Alles war weiss und der Himmel strahlend blau.





Eine andere Sehenswürdigkeit, die ich anschauen ging, war das Museum für moderne Kunst. Es ist die grösste Sammlung in Zentralamerika und in privater Hand. Man zahlt ein Eintrittsgeld von rund drei Dollar und kann dafür beide Gebäude, die gegenüber liegen, anschauen gehen. Es ist wirklich ein schönes Museum. Nicht nur die Kunstwerke sind toll, sondern auch die Gebäude sind beeindruckt. Beide haben einen Innenhof mit Pflanzen, die Gemälde sind drumherum an den Wänden aufgehängt. Ich habe mich zwar gefragt, wie Ölgemälde bei dieser Hitze draussen überdauern, aber was weiss ich schon. Es funktioniert anscheinend. Das es eine private Sammlung ist, konnte ich leider keine Bilder im Innern machen.


Ab ans Meer - was sonst?


Als es mir besser ging, entschied ich mich einen Tag und eine Nacht am Meer zu verbringen. Nicht weit von León gibt es zwei Strände, die durchaus einen Besuch wert sind. Ich wollte nach Las Penitas und hatte mir dort auch schon eine einfache Unterkunft gebucht. Mit dem lokalen Bus, einem sogenannten Chickenbus, wollte ich am Vormittag anreisen. Dazu musste erst einmal rund 20 Minuten zum kleinen Markt im Westen von León laufen und dort auf den Bus steigen. Sobald der Bus voll ist, fährt er ab. Obwohl es nur knapp 22 Kilometer sind, dauert es dann eine gute Stunde, bevor er ankommt. So ein Chickenbus hält ständig und überall. 

Es war wirklich toll, endlich mal wieder am Strand zu sein. Ich ging etwas die Küste entlang spazieren, las mein Buch und kühlte mich zwischendrin immer mal wieder im Wasser ab. Ausserdem konnte ich ein paar Surfer beobachten. Die Wellen waren nicht besonders gut, es hatte aber ein paar lokale Kinder, die auf ihren kurzen Brettern noch etwas reissen konnten. Am Abend trank ich noch ein Sonnenuntergangsbier. Der Sonnenuntergang hier ist einfach wunderschön. Anschliessend ging ich in mein Hostel.





Zurück nach León und auf zum Fortress Friday


Bis zum Nachmittag blieb ich noch am Meer, machte mich dann aber auf Weg zurück nach León. Für die Rückfahrt stellt man sich einfach an die Strasse und wartet bis der Bus kommt. Sobald man ihn sieht, winkt man ihn ran, ansonsten fährt er weiter. Der Bus war leider ziemlich voll und ich musste die gesamte Fahrt eingequetscht zwischen den Leuten stehen. Anschliessend musste ich eben noch ewigst lang laufen bis ich am Hostel ankam. Dort konnte ich aber gleich wieder ein Bett beziehen. Ich war froh wieder zurück zu sein, ich fühlte mich wirklich wohl dort. Das Poco a Poco Hostel organisiert jeden Freitag eine Tour mit dem Namen "Fortress Friday" und ich wollte unbedingt teilnehmen. Mit ein Grund, warum ich immer noch dort war. 

Der Ausflug am späten Nachmittag führt zu einem verlassenen Gebäude ausserhalb von León und bietet einen interessanten Einblick in die aufwühlende Geschichte der Stadt. Unser Guide Anry hat die Geschichte an diesem einsamen Ort wieder zum Leben erweckt. Und es ist bei weitem keine schöne Geschichte. Die Stadt wird noch heute von der FSLN regiert, der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront, eine politisch links orientierte Partei. Die Partei ging aus der gleichnamigen Guerillaorganisation hervor, die Ende der 70er Jahre die Diktatur der Somozas stürzte und das Land daraufhin regierte. Die Diktatur wurde in den vorangehenden 40 Jahren von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt, die sich so wirtschaftliche Vorteile gesichert und das Land ausgebeutet hatten. 

Anfang der 80er Jahre formierte sich eine Guerilla-Gruppierung, die die sandinistische Regierung im sogenannten Contra-Krieg von 1981 bis 1990 bekämpfte. Diese Rebellen waren mehrheitlich Mitglieder der Nationalgarde der diktatorischen Regierung Somozas und wurden massgeblich von der US-Regierung unterstützt. Sie führten Anschläge auf die öffentliche und wirtschaftliche Infrastruktur aus und töteten im Laufe des Konflikts rund 60'000 unbeteiligte Zivilisten. Auch in León tobte zu der Zeit der Bürgerkrieg, es gab Anschläge auf Gebäude im Stadtzentrum und die Sandinisten wehrten sich. Das Fortress, zu dem der Ausflug uns führte, ist zu der Zeit ein Gefängnis gewesen und es wurden hier Leute gefoltert. Wirklich unvorstellbar, dass die alles noch gar nicht so lange zurückliegt. Ich hoffe, ich konnte die Geschichte kurz und verständlich zusammenfassen.

Nach dem geschichtlichen Rundgang auf dem Gelände des Gefängnisses, gingen wir zum netten Teil des Abends über: Sonnenuntergang, Bier und Essen. Wir hörten Musik, es gab ein Lagerfeuer und währenddessen versank die Sonne langsam im Pazifik. Da das Gebäude etwas erhöht an einem Hang liegt, hat man von hieraus einen wundervollen Ausblick auf León, die umliegenden Vulkane und das Meer. Es war wirklich ein guter Abend. 






Volunteering auf Reisen


Ich war also bereits seit einer Woche in León und ich wusste nicht so genau, wie es weitergehen sollte. Während meiner Reise durch Mexiko, Belize und Guatemala hatte ich bereits einige Leute getroffen, die während ihrer Reise gegen Kost und Logi arbeiten. Das klang für mich sehr interessant. Ich konnte gut eine Pause vertragen und etwas Geld sparen schadet natürlich auch nie. So entschied ich mich dazu, auf der Seite workaway zu schauen, was für Möglichkeiten es gibt, vor allem für Costa Rica. Ich wusste aber, das es nicht leicht werden würde. Viele Leute waren auf der Suche nach Stellen. Ich schickte ein paar Bewerbungen für Hostels in Strandorten in Costa Rica raus, erhielt aber bis heute keine einzige Rückmeldung.

Da kam ich plötzlich auf die Idee, einfach mal beim Poco a Poco Hostel anzufragen. Sie hatten immer einen Freiwilligen, der ihnen an der Rezeption und mit den Veranstaltungen half. Sophie und Wout sind ausserdem ganz tolle Menschen, weshalb man sich in dem Hostel auch gleich so wohl fühlt. Ich nutzte die Chance und redete kurz mit Sophie darüber. Sie sagte mir, dass sie mir nichts versprechen kann, aber sie würde es mit Wout anschauen. Lange musste ich nicht warten bis er mir mitteilte, dass durchaus eine Möglichkeit besteht, wenn ich wirklich bleiben möchte. 

Die Bedingungen klangen sehr gut. Ich würde fünf Tage die Woche für jeweils sechs Stunden arbeiten und im Gegenzug kostenfreie Unterkunft im Schlafsaal, täglich Frühstück, Geld fürs Mittagessen und Beteiligung an der Kommission für Touren und Busse erhalten. Allerdings würde ich erst knapp zwei Wochen später anfangen können und das Minimum waren vier Wochen. Für mich klang das nach einem Deal. Warum sollte ich weiter nach einer Stelle suchen, wenn ich hier an einem Ort war, der mir gefiel? Die verbleibende Zeit konnte ich für eine kleine Rundreise durch Nicaragua nutzen.

Wir machten ab, dass ich am 1. März anfangen würde und ich schmiedete Pläne für meine Reise durch das Land bis dahin. Ich wollte mich dabei auf einige wenige Orte beschränken, so dass ich nicht zu viel Zeit in Bussen verbringen musste. Als erstes verschlug es mich wieder nach Las Penitas. Ich kann nicht sagen, was es war. Aber der Ort ist toll. Es hat immer sehr viele Einheimische dort. Sie spielen mit ihren Kindern in den Wellen, essen und trinken. Es wirkt echt und nicht wie ein Touri-Ort. Ich verbrachte Zeit am Strand, ging einen Tag etwas Surfen und liess es mir einfach gut gehen. 



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